#konfliktlotsen an der Lindenbornschule
Themen: Offene Ganztagsgrundschulen, Projekte/ #wir bewegen, Soziales Lernen
Wer kennt das nicht: Immer da, wo viele Menschen auf engem Raum aufeinander treffen, entstehen Konflikte, die eskalieren oder mit Gewalt enden können, wenn niemand eingreift. Um dieser Eskalation vorzubeugen, wurde an der Lindenbornschule das Pilotprojekt VGS#konfliktlotsen eingeführt, bei dem ausgewählte Drittklässler und Drittklässlerinnen zu Streitschlichtern ausgebildet werden. Dabei steht die Entwicklung einer eigenverantwortlichen Konfliktlösungskultur als zentrale Idee im Fokus des Projekts.
Von April bis Sommer 2017 sollten zunächst die wichtigsten Grundlagen in neun Ausbildungseinheiten gelegt werden. Dazu standen jede Woche 60 Minuten am Nachmittag zur Verfügung, die von der Schulsozialarbeiterin Julia Reitz vorbereitet und durchgeführt wurden. Im vierten Schuljahr knüpft daran eine begleitete Praxisphase an, nach dessen Vollendung die Viertklässler die eigenständige Schlichtung ausführen können. Im Fokus der Ausbildung standen dabei vor allem die Einführung der Friedenstreppe und der sichere Umgang mit dieser.
Die Friedenstreppe ist eine Mediationsmethode, mit der Kinder nach einer gewissen Übungsphase allein Streitigkeiten lösen können. Sie beginnt mit der ersten Stufe, auf der beide Parteien den Streit aus ihrer Sicht mit Hilfe von Ich-Botschaften schildern. Danach wiederholt jedes Kind, was es vom Gegenüber verstanden hat und benennt somit eigene Anteile. Auf der dritten Stufe werden dann lösungsorientierte Vorschläge von den Kindern selbst eingebracht, womit eine Einigung angestrebt wird. Haben die Konfliktparteien eine Lösung für sich gefunden, zeigen sie dies auf der vierten Stufe durch eine Geste oder Worte und vertragen sich. Aufgrund der klaren Struktur dient die Friedenstreppe den Kindern als einfache Orientierung in Konfliktsituationen und erhöht außerdem die Sicherheit für die beteiligten Streitschlichter und -schlichterinnen.
Begonnen haben wir die Ausbildung mit verschiedenen Bewegungsspielen, um eine Vertrauensbasis für die neue Gruppenkonstellation mit Kindern aus verschiedenen Klassen zu schaffen. Durch wiederkehrende Einstiegsspiele, Feedback- und Blitzlichtmethoden entwickelten sich außerdem schnell Rituale, die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkten. Schon beim zweiten Treffen kamen die Kinder auf die Idee zu Beginn immer das „Evolutionsspiel“ zu spielen und bei der Reflexion mit „Alle meine Freunde…“ konnten sie eigenen Aussagen einbringen.
Danach haben wir durch den Einbezug von Streitgeschichten und theaterpädagogischen Clownsszenen zunächst kindgerecht über das Miteinander und Grundlagen von Konflikten gesprochen, sowie darüber, dass diese zum Leben dazugehören. Dass es meist mehrere Ansichten zu einer Situation gibt, erkannte die Gruppe auch mit Hilfe von optischen Täuschungen.
In den darauffolgenden Einheiten haben wir dann die einzelnen Bausteine der Friedenstreppe auf die Inhalte der Ausbildung heruntergebrochen. So thematisierten wir verschiedene Gefühle und übten mit Ausdrucksspielen wie wir diese bei uns und bei anderen erkennen können. Auch verschiedene Kommunikationstechniken, wie das aktive Zuhören, Spiegeln und die gewaltfreie Kommunikation konnten wir in Partner- und Gruppenübungen selbst ausprobieren. Besonders die Giraffen- und Wolfsprache gefiel den Kindern, sodass sie diese direkt eine Woche lang für sich anwenden wollten und in den folgenden Stunden verstärkt auf die Formulierung ihrer Aussagen achteten.
Die Aufgaben und die Rolle eines Mediators wurden von Beginn an permanent mit der Einführung der Friedenstreppe fokussiert. Hier ging es besonders ums Thema „Schlichten, nicht richten“ und darum, wie zum Beispiel damit umgegangen wird, wenn eigene Freunde versuchen den Mediator zu beeinflussen. Die Übung mit der Treppe mit echten Konflikten oder Rollenspielen sorgte dabei als wöchentlich wiederkehrendes Element für viel Freude bei den Kindern, besonders wenn die Streitenden versuchten möglichst viele „Fehler“ (Körperhaltung, Sprache, Freiwilligkeit nicht eingeholt,…) und schwierige Situationen einzubauen.
Die Abschlussstunde, bei der die Kinder einzeln und als Gruppe mit einer spielerischen Prüfung zeigen konnten, dass sie sicher im Umgang mit der Friedenstreppe und als Streitschlichter sind, war eines der Highlights des Projekts. Die Kinder verfügten alle über das notwendige Basiswissen, hielten aber bei der Beantwortung der Fragen nochmal Rücksprache mit der Gruppe. Dies verdeutlichte nochmals sehr schön wie die einzelnen Kinder als Gruppe zusammengewachsen sind und welche Eigendynamik sich im Projekt entwickelt hat.
Diese positiven Rückmeldungen wurden auch durch die Kinder bestätigt. „Danke, dass wir Streitschlichter werden können und du das mit uns machst“, war eine der Aussagen, die in der Abschlussstunde zu hören war. Dass sie stolz seien Streitschlichter zu werden und sich aufs nächste Schuljahr und die Praxisphase freuen, betonten die Kinder fast in jeder Stunde. Dies kam auch bei den Eltern an, die vereinzelt zurückgemeldet haben, dass die Kinder sehr zufrieden vom Projekt berichten und zuhause die einzelnen Schritte ausprobieren. Hier zahlte sich aus, dass die Eltern während der Projektlaufzeit durch Elternbriefe über die Inhalte informiert wurden, wofür sich eine Mutter speziell bedankte. Auch in der Schule selbst wurden das Projekt und die Methode der Friedenstreppe sehr positiv angenommen. Zur Festigung und Nachhaltigkeit soll hier im nächsten Schuljahr noch verstärkt am Transfer und der Ausweitung, beispielsweise durch die Nutzung der Friedenstreppe im gesamten Schulalltag, gearbeitet werden.
Fazit:
Mit dem Beginn des Pilotprojekts VGS#konfliktlotsen konnten an der Lindenbornschule die ersten, wichtigen Grundsteine für die Ausbildung zur Streitschlichtung gelegt werden. Durch die vielen praktischen Übungen, Bewegungsanteile, Rollenspiele und regelmäßige Nutzung der Friedenstreppe haben die Kinder das Wissen erlangt, welches sie nach den Sommerferien in der Praxisbegleitung festigen können. Besonders schön zu sehen war, dass die Gruppe solch eine Freude am Projekt hatte, als Team zusammengewachsen ist und sich eine Eigendynamik im Projekt entwickelt hat. Durch diesen guten Start erhoffen wir uns, dass sich das Projekt verselbstständigt und die aktuelle Streitschlichtung zukünftig direkt die nächsten Ausbildungsgruppen anwirbt.